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Auf Hindernisparcours durch die Krise

Die Stiftung Rehabilitationszentrum Thüringer Wald ist im Hindernislauf durch die Corona Krise gekommen. Das hat Ministerin Anja Siegesmund auf ihrer Sommertour in Schleusingen erfahren.

Schleusingen – Wenn Stiftungsvorstand Kai Michaelis ans vergangene halbe Jahr denkt, möchte er sich am liebsten die Haare raufen. Er schüttelt den Kopf: Als die Krise im März begann, habe die Bundesregierung „richtig reagiert“. Und auch die Reaktionen der Landesregierung hätten gepasst. Davon ist er überzeugt. Der Lockdown sei notwendig gewesen. Doch was dann in den Landkreisen passiert sei, dass letztendlich die unteren Ebenen regeln durften, das habe für Chaos gesorgt. Und dafür, dass der Bürokratismus zuschlagen konnte. „Sechs Wochen lang habe ich von keinem Sozialamt gehört, niemand war zu erreichen“, teilt Michaelis seine Erfahrungen. Und die Sozialämter braucht die Stiftung. Denn die Mitarbeiter müssen bezahlt werden. Ein Teil wurde in Kurzarbeit geschickt, ein Teil an anderer Stelle eingesetzt. Doch wie sollte für diesen Fall die Bezahlung geregelt werden? Mit dem Sozialamt in Hildburghausen sei da relativ schnell eine Lösung gefunden gewesen – doch bei allen anderen vom Wartburgkreis bis nach Sonneberg sah’s anders aus. Mittlerweile ist auch dort eine Regelung in Sicht, doch „es war ein Kampf“, gibt der Stiftungsvorstand zu. Er spricht von 400 000 Euro Ausständen, die die Stiftung zu Spitzenzeiten hatte. Die Ämter hatten die Zahlungen eingestellt. „Damit wir unsere Mitarbeiter bezahlen konnten, haben wir Investitionen verschoben“, sagt Kai Michaelis. Eigentlich sollte das Werkstattdach in Oberrod für knapp eine halbe Million erneuert werden … „Das haben wir nun für 2021 geplant. Doch auch dahinter steht ein Fragezeichen.“

„Sechs Wochen lang habe ich von keinem Sozialamt gehört niemand war zu erreichen.“ Kai Michaelis, Vorstand der Stiftung Rehabilitation „Thüringer Wald“

Auch für die Klienten, die Menschen mit Behinderung, sah’s zu Krisenzeiten schlecht aus. Die Werkstatt in Oberrod war geschlossen. „Aber alle waren weiterbeschäftigt. Wir haben eine Ertragsschwankungsrücklage für solche Fälle“, erklärt Michaelis. Doch auch diese 80 000 Euro sind mittlerweile komplett weg. „Wenn jetzt noch ein Lockdown kommt, dann wissen wir nicht was wir machen sollen.“ Hier gebe es eine Lücke im System, die unbedingt geschlossen werden müsse.

Was Michaelis auch bemängelt, ist der Infofluss beispielsweise aus dem Sozialministerium. Zu Krisenzeiten habe er einfach vieles nicht sofort erfahren. Die einzige Stiftung Thüringens auf diesem Gebiet werde schlichtweg oft vergessen. Der Hindernisparcours ist nun gemeistert. Hinter der Stiftung liegt krisenbedingt kein rosiges Jahr. Doch auch im kommenden Geschäftsjahr rechnet Michaelis mit Verlusten. Pi mal Daumen werden es, so sagt er auch dann um die 200 000 Euro sein.

Direkte Corona-Fälle hätte es bisher im Rehazentrum keine gegeben. „Wir hatten einen Verdachtsfall im Wohnheim. Vorsorglich musste derjenige ein paar Tage im Zimmer bleiben und wurde dort mit allem versorgt.“ Doch es sei am Ende kein Corona-Fall gewesen.

Aber Verunsicherung herrschte. Nicht nur wegen des Verdachtsfalls. Wegen der Virus-Krankheit im Allgemeinen. „Die Verunsicherung hat man besonders unseren Klienten angemerkt. Sie kamen immer wieder mit ihren Fragen, haben sich erkundigt, wann das alles zu Ende sei oder gefragt, warum sie nicht mit ihren Kollegen zusammenarbeiten dürfen.“  Michaelis erklärt, dass die Bewohner der Häuser, die über ganz Schleusingen verteilt sind, auch während der Arbeit getrennt werden mussten. Besuche seien stark eingeschränkt gewesen.
Heute ist fast alles wieder „normal“. Die behinderten Menschen sind wieder in der Stadt unterwegs. Inklusion wird gelebt. Interessiert nimmt Ministerin Anja Siegesmund alle Informationen auf, die Kai Michaelis ihr gibt. Er führt sie übers Gelände, stoppt in der Gärtnerei, in der sie das Pflanzenmeer bewundert und am liebsten ein paar Kressehälmchen abzupfen und verspeisen würde. Die Tour führt weiter bis zum Haus Bienenkorb. Von diesem besonderen Kinderheim ist Siegesmund beeindruckt. „Es ist großartig, was hier geleistet wird“, sagt sie am Ende ihres Besuchs. Ob Kinderheim oder Holzwerkstatt der beruflichen Reha – was sie gesehen hat „ist toll“.

Und bevor sie sich verabschieden wird Kai Michaelis noch etwas los: „Seit anderthalb Jahren haben wir zwei Elektrofahrzeuge – und eine E-Ladesäule. Eine zweite soll in diesem Herbst noch gebaut werden.“ Ja, das gehört ins direkte Ressort der Umweltministerin – und die Nachricht nimmt sie freudestrahlend auf. Michaelis spricht von rund 3000 Euro, die mit diesen alternativ angetriebenen Fahrzeugen gegenüber jährlich eingespart werden können. Ein weiteres E-Auto soll im kommenden Jahr hinzukommen. Und wenn es E-Busse gäbe, dann würde ich wenn ein Wechsel ansteht, zwei von vier Dieselbussen ersetzen.“ Doch das ist Zukunftsmusik. Erst einmal heißt es nun, die Infektionszahlen beobachten, wachsam bleiben – und gegebenenfalls auch zu reagieren. Corona ist längst nicht vorbei …

Die Reha-Stiftung

260 Mitarbeiter sind unter dem Dach der Stiftung Rehabilitationszentrum beschäftigt, 450 behinderte Menschen werden betreut. In der Lindenschule lernen Kinder/ Jugendliche mit geistiger Behinderung. Mit dem Haus Bienenkorb gehört ein Kinderheim zur Stiftung. Geboten wird nach der Schulausbildung Berufsorientierung und Training in sechs Berufsfeldern und in ebenso vielen Feldern eine außerbetriebliche Ausbildung. Die Klienten arbeiten in der Reha- Werkstatt in Oberrod oder werden gefördert im Haus Domino in Suhl (Regionales Förderzentrum) oder vom Integrationsfachdienst. Untergebracht sind sie im Haus am Eichenhof oder im Haus Sonnenblume (Menschen mit geistiger Behinderung), im Haus an der Nahe (Menschen mit psychischer Behinderung), im Haus Kleeblatt (Prader-Willi-Syndrom), in ambulant betreuten Wohnungen oder im Internat für die berufliche Reha auf dem Verwaltungsgelände.